
Michael Gradl ist einer, der auffällt. Ob er nun bei einer Whiskymesse am Stand steht oder mit dem Kilt durch die Innenstadt geht. Breite Schultern, 193 Zentimeter groß, ein stämmiger Körperbau und immer ein freundliches Lachen im Gesicht. Der Nürnberger wirkt wie ein Hüne aus den schottischen Highlands, mit einem Wadenumfang von einem halben Meter, der im Schottenrock richtig zur Geltung kommt. Die Leidenschaft für Whisky und Schottland ist Michael Gradl anzusehen und wenn er von seiner Begeisterung erzählt, steckt er sein Gegenüber unweigerlich damit an.
Außerirdischer im Schottenrock
Für den 56-jährigen Whiskyfachmann, Händler und Eventveranstalter ist Whisky viel mehr als ein Produkt, das er vermarktet und Schottland mehr als ein Land, in dem er seit Jahrzehnten Urlaub macht. Whisky und Schottland sind für Gradl ein Lebensgefühl. Auf Messen und bei anderen Whiskyevents verleiht er diesem Gefühl durch seinen Kilt besonderen Ausdruck. „Für mich ist der Schottenrock eine Frage der Ehre“, schwärmt Gradl. „Und er ist auch unglaublich bequem. Ich liebe das Ding über alles.“ Inzwischen ist der Kilt zu einem Markenzeichen des Whiskyfachmanns aus Altenfurt geworden. Und mittlerweile sorgt er auch nicht mehr für Verwunderung. Das war nicht immer so. „Anfang der 1990er bist du dir im Schottenrock vorgekommen, wie ein Marsmensch. Das war am Anfang schon außergewöhnlich.“
Der Schottenrock ist für Michael Gradl also kein modischer Gag oder ein Marketinginstrument, sondern pures Lebensgefühl und manchmal auch ein Stimmungsbarometer. Zum Beispiel dann, wenn der Whiskyfachmann bei einem Messetag in der Jeans auftaucht und den Kilt im Schrank hängen lässt. „Ich habe auch Tage, wo ich keinen Schottenrock trage. Wenn die Schotten die Ware nicht rechtzeitig zur Messe geliefert haben, dann bin ich sauer auf die und dann trage ich auch keinen Schottenrock. Das ist meine persönliche Abrechnungsmethode“, lacht Gradl.
Whiskyspezialitäten mit ehrlichem Service

Gradls Whiskyfässla ist seit über dreißig Jahren eine feste Institution in der Nürnberger Whiskyszene. Der eingefleischte Nürnberger Michael Gradl und seine Frau Andrea haben in Altenfurt im Nürnberger Südosten ein sehr gut sortiertes Fachgeschäft für Whisky, Rum, Zigarren und Pfeifentabak eingerichtet. Mit Liebe zum Detail wird das Wasser des Lebens dort präsentiert, stimmungsvoll in alten Eichenfässern, auf Tischdecken im Schottenkaro oder in der gläsernen Vitrine. „Wir haben unsere Aufgabenteilung. Meine Frau ist für Buchhaltung, Logistik zuständig und bremst mich auch immer wieder aus, wenn ich den ein oder anderen Karton mehr bestellen will. Ich bin der für Veranstaltungen und Messeorganisation. Das Thema Dekoration macht dann wieder meine Frau“, erklärt Michael Gradl. So klappt es auch mit der täglichen Zusammenarbeit im gemeinsamen Laden. Und das schon seit den achtziger Jahren, als die Gradls mit einem Tabak- und Lottoladen den Weg in die Selbständigkeit wagten.

Als sich der Schwerpunkt dann ziemlich schnell auf Whisky verschob, leistete ein anderes Urgestein der Nürnberger Whiskywelt Starthilfe: „Ich werde das dem Otto Steudel (Celtic Whisk(e)y, Anm. P.G.) auch nie vergessen. Er hat uns geholfen, dass wir damals vom Importeur überhaupt Whisky bekommen haben. Deshalb haben wir auch ein sehr herzliches Verhältnis. Überhaupt wir Händler in Nürnberg und Fürth haben ein tolles kollegiales Verhältnis.“
Mit der Zeit fanden die Gradls als Importeur der unabhängigen Abfüller Blackadder und Ian Macleod ihre eigene Nische und sorgten dafür, dass sich die Chieftain`s Choice-Serie in Deutschland etablierte, in der nur die interessantesten Fässer aus dem Hause Macleod abgefüllt werden. Seit 2003 ist das Whiskyfässla Exklusivimporteur von Chieftain`s in Deutschland.
Neben den Abfüllungen von Blackadder und Ian Macleod finden sich in Gradls Whiskyfässla aber auch Produkte anderer Hersteller. Dabei achtet Michael Gradl sehr auf die Qualität der angebotenen Whiskies und auf ehrlichen Service. „Wir haben alles da, wo ich dahinter stehe. Obwohl wir auch ein paar Whiskies haben, die die Welt nicht braucht. Aber als Fachhändler sagen wir den Leuten auch mal ganz ehrlich: Nimm das nicht, das taugt nichts. Auch dann, wenn ein Whisky besonders gehypt wird. Und auch ein seltener Whisky muss nicht immer gut sein.“
Als Kunde kann man sich kaum eine ehrlichere Beratung wünschen, die auf Qualität abzielt und dabei auch einen Blick für das Preisleistungsverhältnis hat. „Wir haben uns auf Spezialitäten konzentriert. Das heißt nicht, dass solche Spezialitäten immer teuer sein müssen. Von Signatory gibt es zum Beispiel gerade einen 19-jährigen Glenlivet für 75 Euro, da kann man gar nichts sagen. Das ist ein schönes Schnäppchen.“
Alter ist nicht alles

Allerdings sieht Michael Gradl die Zukunft für viele der unabhängigen Abfüller nicht so rosig. Die Bestände an langegereiften Whiskies werden weniger, auch wenn gegenwärtig die Whiskyproduktion in Schottland auf Hochtouren läuft. Und auch wenn im Augenblick immer weniger Whiskies mit Altersangabe auf den Markt kommen, sieht Michael Gradl darin keinen Nachteil für Whiskygenießer. „No-age-statement-Whiskies werten die Qualität eher wieder auf. Denn wenn man ein Alter auf den Whisky schreibt, dann muss man im Augenblick auch Fässer abfüllen, die zwar das Alter haben, aber vielleicht nicht die entsprechende Qualität. Weil die Nachfrage zur Zeit so groß ist.“
Auch junger Whisky muss nicht schlechter sein, wie der Whiskyhändler aus eigener Erfahrung weiß. „Wir hatten mal von Chieftain`s einen achtjährigen Glenrothes, der war endgeil. Da hätte ich jeden 30-jährigen Glenrothes dafür stehen lassen. In einer Blindverkostung hätte jeder gesagt, das ist ein 21- bis 25-jähriger Whisky. Rabenschwarz, sherrylastig ohne Ende, das war ein Glücksgriff.“ Sherrytönige Whiskies entsprechen aber auch dem Geschmack des Nürnbergers, der sich darin ein wenig von seiner Frau unterscheidet. „Meine Frau mag es eher torfig, dreckig und kantig. Ich bin eher so das Weichei“, witzelt Gradl. „Der Glendronach 21 zum Beispiel, der hat genau das, was ich mag.“
Obwohl Michael Gradl die Whiskies kennt, die er verkauft und bei Tastings oder auf Messen präsentiert, ist privat eher Zurückhaltung angesagt. „Ich war immer vorsichtig, dass man durch den Beruf nicht zum Alkoholiker wird. Das hat mich immer davon abgehalten, viel zu trinken. Du musst sowieso immer wieder beruflich verkosten, dann muss das nicht auch noch privat sein.“
Whiskyfachmann mit Entertainerblut

Die öffentlichen Auftritte sind für Gradl inzwischen zum Hauptgeschäft geworden. Dazu zählen bundesweite Whiskyevents, Dinner, Tastings und Messen, bei denen der Nürnberger sein Unterhaltungstalent unter Beweis stellen kann. Mit Anekdoten, Hintergrundgeschichten und Witzen rund um das Thema Whisky hält er sein Publikum bei Laune und begeistert sie für das Wasser des Lebens. „Das macht einfach Spaß, bei einer Veranstaltung 80, 90 Leute so zu begeistern, dass sie sagen: Ich muss nächste Woche sofort nach Schottland! In Mosbach haben wir zum Beispiel das 43. Dinner. Und es ist jedes Mal anders.“
Auch in Franken haben sich die Whiskyevents der Gradls etabliert, beispielsweise das Whiskydinner auf Schloss Atzelsberg bei Erlangen oder das zweimal im Jahr stattfindende Whisky Menü im Landgasthof Blaue Traube in Burgthann im Nürnberger Land. Aber auch Tastings im kleineren Rahmen stehen auf dem Veranstaltungsprogramm, für Gruppen bis zehn Personen im hauseigenen Whiskykeller. Auch hier sind Anekdoten und gute Unterhaltung mit dem fränkischen Whiskyentertainer inklusive.
Mein Fazit
In Gradls Whiskyfässla sollte wirklich jeder Whiskyliebhaber den passenden Tropfen finden. Für diese Suche nehmen sich Andrea und Michael Gradl gerne Zeit, um fachkundig und ehrlich zu beraten. Ein Service, wie man ihn sich von einem Fachhändler wünscht und der dem Wasser des Lebens gut zu Gesicht steht. Neben Whiskies aus Schottland, Irland und den USA bietet das Whiskyfässla auch eine Auswahl an Rums, Cognac und regionalen Edelbränden, zum Beispiel von der Pretzfelder Destillerie Haas.
Was jeder Kunde wissen sollte: Die Parksituation vor Gradls Whiskyfässla ist problematisch. Am besten parken Kunden auf dem großen Parkplatz des Landhotels Ramada, auf der gegenüberliegenden Straßenseite und gehen die restlichen Meter zu Fuß zum Whiskyfässla. Dann steht einem entspannten Besuch und dem Stöbern im zweitältesten Nürnberger Whiskyladen nichts mehr entgegen.
Patrick
Vielen Dank für die umfangreiche Reportage. Wir fühlen uns sehr geehrt!
Und alles wahr ! Neben Otto Steudel auch ein Urgestein der deutschen Whiskyszene.
Gruss vom Kollegen aus Fürth
Dem Ganzen kann ich nur bepflichten. Habe Herrn Gradl auf der Whiskymesse The Village kennengelernt. Hat mich und zwei Freunde spontan zu einer Verkostung/Tasting eingeladen. Absolut spitze, komme definitv wieder und kann die Gradl’s für Whiskyfans nur empfehlen.
Sehr gutes Portrait
Zu 100% Zustimmung!
Vielen Dank für die tolle Rückmeldung!