
“Bringe dein Whiskywissen auf ein neues Level” verspricht das im März erschienene Buch “Whisky” des Online-Magazins Eye For Spirits im ersten Satz des Klappentextes. Autor Philip Reim legt damit die Messlatte hoch. Entsprechend groß sind die Erwartungen an das gut 200 Seiten starke Hardcoverbuch, das für 29,90 Euro über Amazon und als eBook (pdf) für 24,90 über die Webseite Eye For Spirits bestellt werden kann. Aber steckt hinter dem Klappentext mehr als ein griffiger Werbeslogan? Kann sich dieses Buch tatsächlich in seiner Tiefe von den zahlreichen Büchern rund um das Thema Whisky abheben?
Bereits ein erster Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt zumindest, dass Philip Reim eigene Schwerpunkte setzt und dem Leser das Wasser des Lebens nicht nur oberflächlich zugänglich machen will. Dafür ist das Online-Magazin Eye For Spirits, das Philip Reim 2010 ins Leben rief, auch nicht bekannt. Vielmehr darf man gut recherchierte und detaillierte Fakten erwarten. Entsprechend liest sich das Inhaltsverzeichnis: “Vom Gerstenkorn zum High End-Destillat”, “Whisky-Labels lesen und verstehen”, “Whisky-Kategorien”, “Die Wahl des richtigen Glases”, “Sensorik”, “Die Anatomie der Verkostung” und “Whisky haltbar machen”. Positiv fällt auf, dass auf eine Übersicht bedeutsamer Whiskymarken und -abfüllungen, wie sie sich in vielen anderen Whiskybüchern finden, verzichtet wird.
Beim Lesen macht jeder Satz deutlich, dass das Wasser des Lebens den Autor schon länger begleitet und dass er es dem Leser auf seine eigene Weise erschließen möchte. Philip Reim, der sich schon als Chemie- und Biologiestudent mit der Chemie des Whisk(e)ys auseinandersetzte, verfolgt diesen Kurs auch in seinem Buch. Immer wieder tauchten chemische Details auf, die jedoch für den fachfremden Leser meist gut nachvollziehbar sind. Manchmal sind es ein wenig viele Fachbegriffe, diese werden aber stets passend und anschaulich erläutert.
Überhaupt liest sich das Whisky-Buch von Eye For Spirits angenehm flüssig, ohne dabei auf Tiefe zu verzichten. So erfährt der Leser, warum eine lange Fermentationszeit den geschmacklichen Tiefgang eines Whiskys fördert und wie die aus Kupfer gefertigten, klassischen Pot Stills den Geschmack des Whiskys prägen: “Den Einfluss, den dieses Metall auf Aroma und Geschmack eines Whiskys hat, bemerkt man vor allem dann, wenn es fehlt. Denn Kupfer produziert keine neuen, besonderen Verbindungen, sondern baut ungewünschte Moleküle ab. Insbesondere die, in denen Schwefel steckt.” (S. 75). Selbstverständlich kommen auch die chemischen Prozesse während der Fassreifung in dem über hundert Seiten umfassenden Kapitel zur Herstellung des Whiskys nicht zu kurz.
Auch Sensorik, Glaswahl und die richtige Verkostung von Whisky werden ausführlich beschrieben. Sicher bieten manche Kapitel oder Textabschnitte für erfahrene Whiskygenießer nicht immer Neues. Trotzdem ist es interessant, den Autor auf seinem Weg zu begleiten und einzelne Kapitel des Buches wie ein Nachschlagewerk zu gebrauchen. Spannend und aus meiner Sicht innovativ ist, dass sich der Autor am Ende seines Verkostungskapitels auch den Ursachen von Fehlaromen im Whisky widmet: “Ein typischer Whisky-Fehler ist beispielsweise jener Geruch, der an das früher in Mottenkugeln enthaltene Naphthalin erinnert. (…) Ein weitaus bekannterer und häufiger Whisky-Fehler ist hingegen ein markanter Schimmel-Geruch, der zuweilen an Blauschimmelkäse erinnert.” (S. 201f.)
Allerdings hat das Buch für mich auch eine Schwachstelle: Bei den zahlreichen Fotos greift der Autor fast ausschließlich auf Agenturfotos der Internetplattform Fotolia und vereinzelt auf PR-Fotos internationaler Spirituosenkonzerne zurück. Zweifelsohne sind diese Abbildungen professionell und passend ausgewählt, aber für meinen Geschmack häufig charakterlos und an vielen Stellen austauschbar. Dort, wo der Autor eigene Grafiken und Illustrationen einbaut (z.B. das Whisky-Farbenrad), beinhalten diese wirklich einen Mehrwert und ergänzen den Text.
Trotzdem ist “Whisky – Eye For Spirits” von Philip Reim ein sehr gelungenes Buch, das eine Lücke schließt. Es hebt sich mit seiner eigenständigen Art von anderen Büchern zum Thema positiv ab und erschließt das Wasser des Lebens mit detaillierten wissenschaftlichen Fakten und Informationen. Aus meiner Sicht kann das Buch mit seinen detaillierten Informationen Einsteiger überfordern. Erfahrene und ambitionierte Whiskygenießer dürften aber ihre Freude daran haben, ihr Wissen zu vertiefen – vielleicht ja auch nur an einzelnen Punkten. Insofern kann das Buch tatsächlich sein Versprechen aus dem Klappentext einlösen.
Patrick