
Im sechzehnten Jahrhundert war der Wolf im Schottlands hohem Norden weit verbreitet. Zu dieser Zeit verbreiteten sich unter den Küstenbewohnern auch Legenden von einem übernatürlichen Seewolf. Den Überlieferungen nach lebte er an Land und im Wasser und war ein Glücksbote für alle, die ihn zu Gesicht bekamen. Diese Legenden kamen auch dem Schweizer Naturforscher und Altphilologen Conrad Gesner zu Ohr, der für seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen einen Holzschnitt des sagenumwobenen Seewolfs anfertigte. Heute ist diese Abbildung das Markenzeichen der 2013 neueröffneten Wolfburn Distillery in Thurso, der nördlichsten Whiskybrennerei auf dem schottischen Mainland.
Im Frühjahr 2016 brachte die Wolfburn Distillery ihren ersten Single Malt auf den Markt. Ein dreijähriger Whisky, der in ex-Islay Quarter Casks reifen durfte. Bei der Produktion legt Distillery Manager Shane Fraser vor allem Wert auf eine langsame Fermentation und ein ebenso langsames Brennverfahren, um dem Wolfburn Whisky seinen eigenen Charakter zu verleihen. Abgefüllt wurde die Erstauflage der Brennerei unter der schlichten Bezeichnung “General Release”, mit natürlicher Farbe, ohne Kältefiltration und mit einer Trinkstärke von 46%Vol.
Bereits beim Einschenken ins Glas sieht man dem Wolfburn General Release an, dass dieser Whisky noch keine lange Reifungszeit hinter sich hat. Denn seine Farbe erinnert eher an Weißwein. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Brennerei bewusst auf eine Färbung verzichtet und auf andere Qualitätsmaßstäbe setzt. Mit seinen 46%Vol. wirkt der Single Malt bereits beim Schwenken im Glas recht ölig und zieht nur vereinzelte, sehr langsame Legs an der Glasinnenwand.
Der Einfluss der ehemaligen Islayfässer ist in der ersten Nase deutlich zu spüren: Eine angenehme, aromatische Rauchnote verbindet sich mit einer leicht alkoholischen Würze, die aber gleich wieder verfliegt. Der Rauch bleibt hingegen noch etwas stehen, verlagert sich aber nun in den Hintergrund und lässt Karamellsüße und ein florales Aroma in die Nase steigen. Dieses Aroma verbindet sich mit Anklängen von Zitrusfrüchten, grünen Äpfeln, Grapefruit und süßem Malz.
Im Antritt zeigt sich der Wolf aus dem hohen Norden zuerst angenehm ölig und geschmeidig, bevor mit einer würzigen Schärfe auch seine Zähne zeigt. Assoziationen von Pfeffer kommen auf, die sich mit einem trockenen Geschmack von kalter Asche verbinden. Wie in der Nase, so zeigt sich nun auch im Geschmack ein zitrusfruchtiger Einschlag. Dabei haben saftige Zitronen und bittersüße Grapefruit die Oberhand. Mit dem zweiten Schluck wird der Single Malt deutlich süßer und erinnert zunächst an Karamell- und mit der Zeit an Malzbonbons.
Im mittellangen Abgang bringt der Wolfburn eine Kombination aus Süße, Grapefruit und würzigen Holznoten, wie von angekohltem Eichenholz. Dieser angenehm holzige Geschmack lässt ein trockener werdendes Gefühl zurück und belegt zusammen mit der bittersüßen Grapefruit noch eine ganze Weile die Wange.
Der Wolfburn General Release gehört für meinen Geschmack zweifelsohne zu den besten dreijährigen Whiskies. Ein ausgewogener Single Malt, der interessante Aromen und Geschmacksnoten zu bieten hat. Bei Scotch Broth in Fürth kostete eine Flasche des General Release 50 Euro und war bereits wenige Tage nach dem Erscheinen ausverkauft. Mit etwas Glück kann man im Fachhandel aber noch die ein oder andere Flasche ergattern. Der auf 16.000 Flaschen limitierte Whisky ist ein gelungener Auftakt der jungen Wolfburn Distillery und macht auf jeden Fall Lust auf die weiteren Abfüllungen, die wir in den nächsten Jahren von der Brennerei mit dem Seewolf-Logo erwarten dürfen.
Patrick
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