
Holz hat etwas Faszinierendes. Nicht nur, weil es ein unglaublich flexibler, ökologischer und lebendiger Werkstoff ist. Für Whiskyliebhaber ist Holz vor allem deshalb so faszinierend, weil es einen enormen Einfluss auf den individuellen Charakter eines Whiskies hat. Besonders eindrücklich wird das, wenn man ein und dasselbe Destillat nach der Reifung in unterschiedlichen Fasstypen probieren kann. Die aktuelle Jubiläumsabfüllung des unabhängigen Abfüllers The Whisky Chamber bietet dazu Gelegenheit.
Vor zehn Jahren befüllte Thomas Ide unterschiedliche Fässer mit New Make der Brennerei Tullibardine aus den schottischen Highlands. Damals hatte der Mann aus Rheinfelden gerade seinen alten Job an den Nagel gehängt und eine Karriere als Whiskyabfüller eingeschlagen. Im Sommer 2016 holte er drei seiner Tullibardine-Fässer aus dem Lagerhaus und füllte sie für eine Jubiläums-Trilogie ab. Bei den zehnjährigen Single Malts handelt es sich drei um Einzelfassabfüllungen aus einem 1st Fill Sherry Cask (59,5%Vol), einem 1st Fill Bourbon Cask (57,3%Vol.) und einem 1st Fill Agricole Rum Cask (57%Vol.).
Der unterschiedliche Fasseinfluss zeigt sich bereits in der Farbe der drei Whiskies. Während sich der Tullibardine aus dem Sherryfass in einer kräftigen Kupferfarbe präsentiert, zeigen sich die beiden anderen Whiskies in helleren Farbtönen. Der im Bourbonfass gereifte Whisky ist für mein Empfinden noch einen Tick dunkler und erinnert an helles Stroh, während der Tullibardine aus dem ex-Rum Cask eher an Weißwein erinnert.
Natürlich entfalten sich auch in der Nase ganz unterschiedliche Aromen, wobei ich in allen drei Whiskies eine gemeinsame aromatische Note wiederfinde, die ich bereits beim 9-jährigen Tullibardine 2006/2015 von The Whisky Chamber ausmachen konnte. Für mich zeigt sich darin eine gelungene Balance zwischen Brennereicharakter und Fassreifung, die beiden Einflüssen Raum gibt.
Der ex-Bourbon Tullibardine erinnert in der Nase zunächst an Kornäpfel, Birne Helene und Vanille. Dieses fruchtig-süße Aroma wird von einer leichten Pfeffernote getragen, die erst nach einer Weile in den Hintergrund tritt. Dann zeigen sich etwas frisches Eichenholz, Banane und mit der Zeit eine immer deutlicher werdende Note von Heidegras.
Bei der Abfüllung aus dem ex-Sherryfass zeigen sich für mein Empfinden deutliche Ähnlichkeiten zur Abfüllung von 2015. Eine würzige Eichenholznote, die an dunkle Schokolade erinnert, steigt in die Nase. Der Alkohol ist kühlend und mit einer leichten Schärfe wahrnehmbar, bevor sich eine Assoziation von Kirschen durchsetzt, die im Zusammenspiel mit der dunklen Schokolade etwas an Mon Cherie erinnert. Mit der Zeit wirkt der Whisky gesetzter und zeigt sich von einer süßen und zugleich würzigen Seite: Etwas altes Leder verbindet sich mit Anklängen von Vanille und Pfeifentabak.
Deutlich süßer präsentiert sich die Abfüllung aus dem ehemaligen Agricole Rum Cask. Karamellnoten verbinden sich mit Vanille, etwas schwarzem Pfeffer und Nelken. Der Rum ist erkennbar, aber nicht aufdringlich. Das mag auch daran liegen, dass Agricole Rum aus frischem Zuckerrohrsaft destilliert wird, was ihn in Aroma und Geschmack von anderen Rums unterscheidet. Allmählich gesellen sich zu den süßen Anklängen grüne Äpfel, bis sich schließlich ein Aroma von Buttergebäck durchsetzt.
Am Gaumen zeigen alle drei Whiskies eine Gemeinsamkeit: Ihr Geschmack wird im ersten Antritt von einer Schärfe getragen, die mich an Chili oder weißen Pfeffer erinnert. Dahinter entfalten sich die drei Tullibardines aber wieder ganz unterschiedlich.
So zeigt der ex-Borubon Single Malt Anklänge von eigenkochten Äpfeln, Pfirsichen und Mirabellenkompott. Schließlich schiebt sich eine leichte Eichenholznote in den Vordergrund, die mit der Zeit den Geschmack von dunkler Schokolade mit sich bringt, bevor sich süße Vanille und feine Gebäcknoten zeigen.
Der ex-Sherry Tullibardine macht keinen Hehl daraus, aus welchem Fass er kommt. Kräftige Sherrynoten, Kirschen und dunkle Schokolade prägen den ersten Geschmack. Wieder kommen Assoziationen von altem Leder und Tabak auf. Schließlich zeigen sich eine Prise Anis und würziges Eichenholz.
Mit dem Tullibardine aus dem ex-Rumfass hat die Jubiläums-Trilogie auch einen wunderbaren Sommerwhisky zu bieten, der gut an heißeren Tagen genossen werden kann. Mit einer angenehmen Frische fließt er über die Zunge und verbreitet im Mundraum einen angenehm süßen Geschmack. Dezente Rumnoten verbinden sich mit einer Assoziation von Äpfeln und einem Hauch Zitrone, bevor sich der Geschmack von Anisbonbons am Gaumen festsetzt.
Der Abgang der drei Single Malts ist wärmend und im Fall des ex-Bourbon- und des ex-Sherry-Whiskies auch lange anhaltend. Vor allem die dunkle Schokolade bleibt bei beiden Whiskies noch eine ganze Weile am Gaumen. Etwas kürzer, süßer und für mein Empfinden auch etwas trockener zeigt sich dagegen der Single Malt aus dem ex-Rumfass.
Wie für die Abfüllungen von The Whisky Chamber üblich, wurden die Single Malts weder gefärbt, noch kühlgefiltert. Außerdem kamen sie allesamt in Fassstärke in die typisch bauchigen 0,5l-Flaschen. Im Fachhandel ist die komplette Trilogie für etwas unter 200 Euro zu bekommen. Für meinen Geschmack bietet die Tullibardine Trilogie von The Whisky Chamber sehr abwechslungsreiche Geschmackserlebnisse und drei Single Malts mit je eigenem Charakter und einer Balance zwischen Brennereicharakter und Fasseinfluss, die zu überzeugen weiß.
Patrick