
Das Unternehmen Wiliam Cadenhead nimmt unter den unabhängigen Abfüllern einen ganz besonderen Platz ein. Denn die in Campbeltown auf der schottischen Halbinsel Kintyre ansässige Firma ist der älteste unabhängige Abfüller Schottlands. Wiliam Cadenhead gründete sein Unternehmen bereits 1842 in Aberdeen. 1970 ging Cadenhead in den Besitz des Familienbetriebs J. & A. Mitchell über, dem auch Springbank und die wiedereröffnete Glengyle Distillery gehören.
Cadenhead Whiskies werden in unterschiedlichen Produktlinien abgefüllt – z.B. in der Small Batch Serie, in der nur sehr wenige ausgesuchte Einzelfässer miteinander vermählt werden. Im Fall des hier vorgestellten Glen Grant, der im Jahr 1995 destilliert und gut 19 Jahre später abgefüllt wurde, müssen es wohl drei Sherry Butts gewesen sein, die im Jahr 2015 auf 1086 Flaschen gezogen wurden. Mit starken 58,4% Vol. präsentiert sich dieser Speyside Single Malt – natürlich nicht gefärbt und nicht kühlfiltriert.Im Glas schillert der 1995er Glen Grant in kräftigen Goldtönen und zieht sehr feine und langsame Legs.
Das erste Aroma ist relativ verhalten. Dieser Glen Grant von Cadenhead fällt nicht gleich mit der Tür ins Haus. Er ist ein Gentleman – wie ich das von Glen Grant Whiskies gewohnt bin und wie ich es vielleicht auch erwarte. Im ersten Augenblick ist er zurückhaltend, doch umso tiefgründiger, je mehr Zeit man ihm im Glas gibt. Dieser Whisky muss atmen und das sollte man einem Single Malt nach beinahe 20 Jahren im Fass auch zugestehen. Das Sherryaroma ist allerdings sofort zu spüren. Prägnant, aber nicht aufdringlich oder übermächtig. Auch der Alkohol zeigt gleich zu Beginn seine Kraft. Kühlend wie frische Minze steigt er in die Nase und bringt eine kräftige, pfeffrige Schärfe mit sich. Erst mit der Zeit differenzieren sich die Fruchtaromen und lassen Anklänge von Trockenobst und Pflaumenkompott erkennen. Dahinter zeigt sich die malzige Süße des Single Malt, die im Zusammenspiel mit kandierten Fruchtnoten etwas an frisches Früchtebrot vom Weihnachtsmarkt erinnert. Eine Prise Vanille und Anis sind auszumachen, bevor das Eichenholz mit eine leicht muffigen Note einer Kontrapunkt setzt, der Bilder von der langen Reifezeit des Whiskies in einem dunklen Lagerhaus aufkommen lässt. Mit der Zeit nehme ich auch herbe Aromen von altem Leder und einer geöffneten Dose Kräutertee wahr.
Die 58,4% Vol. verleihen dem Whisky einen kräftigen Antritt. Ein leichtes Prickeln breitet sich auf der Zunge und am Gaumen aus, das begleitet wird von einer fruchtigen Süße von saftigen Orangen, Pflaumen und reifen Pfirsichen. Auch im Geschmack nehme ich getrocknete Kräuter wie von einer Weihnachtsteemischung wahr. Dahinter setzt sich der Geschmack von gerösteten Nüssen, Trockenobst und Früchtebrot durch. Für einen Augenblick habe ich auch einen Geschmack von Sahnekaramellbonbons auf der Zunge, der aber schnell den würzigen Eichennoten weicht.
Der Abgang ist trocken und lang und von nussigem Eichenholz geprägt. Erneut klingt ein Hauch von Sahnekaramell an, der kurz darauf noch einmal dem Geschmack getrockneter Früchte und einer Kräuterteemischung Platz macht.
Für meinen Geschmack hat der Glen Grant 1995 von Cadenhead eine ganze Menge zu bieten. Er verlangt allerdings Zeit und die ganze Aufmerksamkeit des Whiskygenießers. Wer sich nur kurz Zeit für diesen Speyside Single Malt nimmt, wird möglicherweise enttäuscht. Sein volles Aroma entfaltet der Glen Grant erst nach einigen Minuten im Glas. Dann präsentiert er sich als facettenreicher und angenehm komplexer Whisky einer tollen Brennerei. Als ich den Glen Grant 1995 Anfang 2016 beim Whisky-Baron in Nürnberg kaufte, lag sein Preis bei 85 Euro. Ein durchaus fairer Preis für einen 19-jährigen und facettenreichen Single Malt Whisky aus der Glen Grant Distillery.
Patrick