
Eine Spirituose, die den Namen “Abomination” (deutsch: Abscheulichkeit, Gräuel) trägt, wirkt im ersten Augenblick zumindest auf mich etwas verstörend. Schließlich möchte ich es im besten Fall dann doch mit Genuss zu tun haben. Allerdings verstört der Peated Malt mit diesem skurilen Namen auch noch aus einem anderen Grund. Erst einmal handelt es sich gar nicht um einen Whisky, dazu fehlt dem gut 12 bis 18 Monate im Fass gelagerten Destillat das Alter (in Europa mindestens drei Jahre). Aber damit immer noch nicht genug. Der “Abomination” stammt zwar ursprünglich aus Schottland, wurde auf der Insel Islay destilliert und anschließend auch in Schottland gelagert. Dann allerdings trat er seine Reise über den Atlantik an, bis er bei der in Kalifornien ansässigen, 2010 gegründeten Firma The Lost Spirits Distillery einem künstlichen Reifeprozess unterzogen wurde. Dieser soll ihn angeblich auch mit älteren Artgenossen aus Schottland vergleichbar machen.In den USA reifte der Spirit für wenige Tage in einem Glasbehälter nach, in den Eichendauben eingelassen waren, die vorher mit Riesling Spätlese getränkt wurden. Die beiden Firmengründer Bryan Davis und Joanne Haruta wenden dabei ein selbstentwickeltes Verfahren an, bei dem das Eichenholz durch die Zufuhr von Hitze und Licht im Destillat die gleichen chemischen Prozesse anregen soll, die auch in schottischen Lagerhäusern in viel längerer Zeit ablaufen. Dieser Reife-Reaktor dient für das junge Destillat gewissermaßen als Zeitmaschine. Abgefüllt wurde der Peated Malt aus der Zeitmaschine dann mit 54%Vol. Alkohol, ohne Kühlfiltration und ohne künstliche Färbung.
Im Glas beeindruckt der Malt Spirit durch seine intensive Mahagonifärbung und die sehr öligen Legs, die sich an der Glaswand entlangziehen.
In der Nase zeigt sich der Abomination sehr gefällig. Ich fühle mich an einen Fruchtcocktail erinnert, hinter dem kalter Rauch aufsteigt und sich mit einer salzigen Meeresbrise verbindet. Mineralische Anklänge von feuchten Kieselsteinen und Teer sind auszumachen, bevor das Aroma recht schnell würzig und speckig wird. Assoziationen von Datteln im Speckmantel, von süßen Rosinen und rauchig-süßer Barbecuesoße kommen auf. Überhaupt fühle ich mich zunehmend an einen sommerlichen Grillnachmittag und an ein Lagerfeuer am Kiesstrand erinnert.
Mit einem kräftigen Antritt lässt der schottisch-kalifornische Peated Malt gleich mal seine Muskeln spielen. Eiche, Rauch und Chilisoße sind meine ersten Geschmackseindrücke, bevor Anklänge von gebratenem, vielleicht etwas angekohltem Speck aufkommen. Kurz darauf zeigt auch der Geschmack deutliche Noten von fruchtiger, rauchig-süßer Barbecuesoße, die sich mit einem nussigen Geschmack und geröstetem Kaffee verbinden.
Im mittellangen Abgang sind vor allem Anklänge von kalter Asche prägend.
Der Amobination ist ein recht gefälliger und süffiger Peated Malt, an dem Liebhaber rauchiger Whiskys Gefallen finden dürften. Für mich eignet er sich wunderbar für einen entspannten Grillabend in geselliger Runde. Das Aroma finde ich selbst etwas ansprechender als den Geschmack, bei dem in meiner Wahrnehmung die Röst- und Holzaromen etwas zu sehr dominieren. Ich persönlich bin zwar nicht der Meinung, dass der Abomination mit älteren schottischen Whiskys mithalten kan, aber das spielt aus meiner Sicht auch keine Rolle. Er ist gefällig, rund, unkompliziert und interessant – und das hat dann doch weniger mit Abscheulichkeit als mit Genuss zu tun.
In Deutschland wird der Abomination aus der kalifornischen Lost Spirits Distillery exklusiv von Gradl`s Whiskyfässla in Nürnberg importiert. Dort ist der Heavily Peated Malt für 68 Euro erhältlich.
Patrick
Selbst wenn er verd…. lecker schmecken sollte: Irgendwas geht für mich da verloren. Warum muss heute alles unbedingt schnell gehen? Einer der Kicks, den ich beim Entkorken und Genießen eines Whiskys habe, ist das Wissen um die mehr oder weniger lange Reifezeit. Das Wissen, dass das, was ich jetzt genieße, nicht so schnell (oder überhaupt nie mehr) reproduzierbar ist. Die Vorstellung, dass mich hier z.B. 16 Jahre in einem schottischen Lagerhaus aus dem Glas anlachen. Mich an alles zu erinnern, was ich in dieser langen Zeit getan und erlebt habe, während dieser Whisky einfach nur eins tat: reifen!
Gut Ding will Weile haben!
Genuss hat für mich etwas mit Langsamkeit, mit Gemütlichkeit – mit ZEIT zu tun. Schnellschnell ist die heutige Devise, und die mochte ich noch nie, selbst als ich selber noch jung war.
Ich glaube, dies ist ein weiterer Schritt hin zur industriellen Produktion von Spirituosen, die möglicherweise gut schmecken, aber in denen keine Seele steckt. Die Whiskyindustrie hat schon oft bewiesen, dass sie flexibel ist und sich Trends anpassen kann; deshalb denke ich, die Zeit ist nicht fern, in der auch wieder Zusatzstoffe erlaubt werden und drei Jahre Lagerungspflicht unter den Tisch fallen. Die heutigen Großkonsumenten sind die Jungen, denen muss es einfach schmecken. Punkt. Und wenn die Koreaner oder Russen oder weißnichtwer Whiskys produzieren, die sensationell schmecken, nur drei Wochen (wenn überhaupt) gelagert werden müssen (sparen !) und deshalb keine 10 Euro die Flasche kosten, dann wird sich das langsam aber sicher durchsetzen.
Ich find’s nicht gut, aber so läuft’s halt in unserer Gesellschaft.