
Die Johannisstraße in Nürnbergs Westen: Im Schaufenster eines Fotostudios türmen sich zahlreiche Whiskytuben. Sie sind keine Dekoration der Fotografin, sondern weisen auf einen kleinen Whiskyladen, der sich in den hinteren Räumen des Studios als Untermieter eingerichtet hat. Inhaber ist Michael Redel, der am dunklen Holztisch in seinem Ladenwohnzimmer sitzt.
Die Stereoanlage im Hintergrund spielt Rockklassiker und auf dem Tisch liegt ein Getränkeuntersetzer mit dem Cover eines bekannten Pink Floyd-Albums auf dem Tisch. Mit einem sympathischen Lachen plaudert der Nürnberger über sein Leben als Whiskyfachhändler und über seinen anfangs holprigen Weg zum Whiskyliebhaber: „Ein guter Bekannter, der seit über dreißig Jahren in der Whiskyszene unterwegs ist, hat mir immer mal was hingestellt und ich hab nur gesagt, lass es einfach, das bringt nichts bei mir.“ Aber irgendwann kamen sie dann, die Schlüsselwhiskies, die beim heute 44-jährigen einen „Flächenbrand“ auslösten, wie er es nennt. „Ich hatte einen 12er Glenfiddich geschenkt bekommen und den habe ich aufgemacht und hin und wieder mal probiert. Und dann kam mit Bruichladdich eine Destillerie, die mich mit ihrem breiten Portfolio anfangs sehr beeindruckt hat. Der 10er und der 12er Bruichladdich, das waren schon richtige Meilensteine für mich – und dann ging`s los.“ Etwa fünfzehn Jahre ist das inzwischen her. Seit dieser Zeit hat die Spirituose den Nürnberger so in ihren Bann gezogen, dass mit den Jahren die Idee wuchs, sich professionell mit Whisky zu beschäftigen und Geld damit zu verdienen.
Einzelfassabfüllungen mit gutem Preisleistungsverhältnis

Seit Herbst 2013 gibt es Michael Redels Whiskyladen in der Johannisstraße. Von der Wand grinst ein Pfeife rauchendes Cartoon-Schaaf. Es ist Redels Firmenlogo und stammt aus der Feder eines künstlerisch begabten Altenpflegers. „Ich habe damals gedacht, das darf nicht wahr sein! Besser, als ich mir das jemals vorstellen konnte“, lacht der 44-jährige. Der Name für den Whiskyladen kam kurz darauf: Whisky Baron. Allerdings nicht mit einem adeligen Selbstverständnis, vielmehr legt Michael Redel Wert darauf, dass bei ihm der Kunde König ist. Mit dem Titel „Baron“ verbindet der Unternehmer eher seine eigenen Freiheiten als Whiskyhändler. „Ich lasse mir bei meinem Portfolio nicht hineinreden.“ Zu diesem Sortiment zählen nicht die Standards, die man im Supermarkt oder im Onlinehandel oft zu Geizpreisen bekommen kann.

Der Whisky Baron steht für unabhängige Einzelfass- und Originalabfüllungen, die durch ihr gutes Preisleistungsverhältnis zu überzeugen wissen. Deshalb haben auch die Produkte des ältesten unabhängigen Abfüllers Schottlands Cadenhead einen besonderen Stellenwert bei Michael Redel. „Die Vielfalt ist enorm. Die bringen ständig neue Bottlings heraus, wo du sagst: Boa, wo haben die das her. Da sind sie vielen weit voraus. Aber das Allerwichtigste ist das Preisleistungsverhältnis. Wenn du sagst, du willst ein Einzelfass, mit Qualität, einem gewissen Alter, dann kommst du an Cadenhead gar nicht vorbei.“ Und so reihen sich auf dem alten Buffetschrank des Whisky Barons die Cadenhead-Abfüllungen mit dem charakteristischen runden Firmenlogo aneinander. Dazwischen fallen die Single Malts der Springbank-Distillery in Campbeltown auf. „Das ist eine meiner absoluten Lieblingsdistillen“, erklärt Redel. „Die gehört zur gleichen Familie wie Cadenhead, zu den Mitchells. Da schließt sich der Kreis. Anscheinend hat mich die Halbinsel Kintyre spirituell ummantelt, unterbewusst.“ Wieder lacht der Whiskyhändler. Überhaupt zeigt sich während unseres ganzen Gesprächs sein aufgeschlossenes und ansteckend fröhliches Wesen.
Neben den Single Malts aus dem Hause Mitchell füllen weiße Pappschachteln mit Abfüllungen von Duncan Taylor und die schmucken Holzkisten von Whisky Warehouse No. 8 die Regale.
Ein Händler ist nur so gut wie seine Kunden
Die Whiskies, die Michael Redel in seinen Regalen präsentiert, müssen ihn selbst überzeugen und deshalb hat er auch die meisten davon persönlich probiert. Allerdings geht das nicht immer. „Man darf nicht vergessen, wir reden hier über hochprozentigen Alkohol. Man muss auch an die Gesundheit denken und kann nicht überall sein.“ Deshalb greift Redel auch gerne Tipps seiner erfahrenen Kunden auf. „Wenn du solche verlässlichen Kunden hast, erleichtert das deinen Weg.“ Michael Redel deutet auf einen irischen Blended Whiskey von Teeling, der im Rum-Fass nachreifte. „Das war zum Beispiel der Tipp von einem Kunden, der den als guten Allround-Whiskey empfohlen hat.“ Und gerade an diesem Single Malt zeigt sich, dass Michael Redel nicht nur erfahrenen Whiskyliebhabern etwas bieten möchte. Auch Neulinge, die vielleicht wie er vor fünfzehn Jahren ihre erste Begegnung mit einem 12-jährigen Glenfiddich oder Glenmorangie hatten, will der Händler begleiten und einen passenden Tropfen finden. Geschmack, Qualität und Preis müssen dann stimmen. „Das finde ich sehr spannend, wenn Studenten kommen, die vielleicht 30, 35 Euro ausgeben können, dann das Passende zu finden. Weil das oft die dankbarsten Kunden sind und man die begleiten kann.“ Sein Tipp fällt dann oft auf den Deanston Virgin Oak, der in frischen Bourbonfässern nachgereift wurde oder den Teeling Rum Cask Finish, die beide bei einem Preis um 30 Euro liegen.

Mit gemischten Gefühlen beobachtet der Whiskyhändler den Hype um so manche limitierte Originalabfüllung. „Wenn ich dann sehe, dass da ein paar hundert Euro hingelegt werden, dann denke ich mir manchmal: Wow, dafür würdet ihr auch einen 31-jährigen St. Magdalene oder unfassbare Dinge von Cadenhead oder Duncan Taylor bekommen. Aber das steht mir nicht zu. Der Kunde ist König.“ Als wir darüber sprechen, merkt man, dass Michael Redel nicht nur Fachhändler, sondern eben auch selbst Whiskygenießer ist. „Das habe ich mir, dem Himmel sei Dank, bewahrt. Und ich habe das Glück, dass mir viel schmeckt. Ich brauche die Vielfalt und mag einen Sherry gereiften Whisky genauso wie einen klassischen Bourbon oder etwas Rauchiges. Mehrheitlich ist mir ein Bourbonfass gereifter Whisky ab einem gewissen Alter wahrscheinlich am liebsten. Aber ich lasse mich da gerne immer wieder belehren. “
Auf dem Weg nach oben
Noch betreibt Michael Redel seinen Whiskyladen im Nebenberuf und ist nach wie vor als Ergotherapeut angestellt. Doch die Umsatzzahlen der zurückliegenden Geschäftsjahre machen dem Nürnberger Mut, dass sich das Whiskygeschäft zu seinem einzigen und zu einem tragfähigen beruflichen Standbein entwickelt. „Im nächsten Jahr wird sich das beruflich umkehren. Das muss aber langsam stattfinden und ich muss schauen, wo ich meine Geschäftszeiten erweitere. Wahrscheinlich wird dann der Freitag der erste Tag, an dem der Laden ganztags geöffnet hat.“ Dann stehen auch Überlegungen an, möglicherweise mehr als ein monatliches Tasting anzubieten oder neben der Nürnberger Whisk(e)y-Messe und dem Köpenicker Whiskyfest auch auf anderen Ausstellungen vertreten zu sein. Dafür lässt sich Michael Redel im Augenblick noch Zeit. Für ihn ist das gesunde Wachstum seines Geschäfts wichtiger, als überall dabei zu sein.
Mein Fazit
Michael Redel setzt bei seinem Whisky Baron auf Transparenz und deshalb können sich Kunden ausführlich und detailliert auf seiner Webseite über das aktuelle Angebot informieren. Viel schöner ist allerdings ein Besuch im Reich des Barons, denn im persönlichen Gespräch hat Michael Redel garantiert eine passende Empfehlung parat. Immer mit Blick auf die persönlichen Geschmacksvorlieben des Kunden und auf ein sehr gutes Preisleistungsverhältnis.